TransAtlas – Mit dem Fahrrad von Marrakech nach Zagora

19.02.2017

Die Vorbereitungen für die TransAtlas Tour sind beinah abgeschlossen. In einer Woche geht es endlich los. Das Rad ist verpackt und der Flug nach Marrakech gebucht.

25.02.2017

Tom müsste eigentlich bereits in Marrakesh eingetroffen sein. Leider habe ich noch keine Bestätigung erhalten, dass er abgekommen ist. Die Kommunikationsverbindung ist vermutlich etwas schwierig. Auf jeden Fall bin ich abflugbereit in Basel und warte auf die Gepäckabfertigung. Lieber zu früh als zu spät.

Vor dem Flug fahre ich nochmals ins Zentrum von Basel um mich am Streetfootfestival mit marokkanischem Tee einzustimmen. Beinahe verpasse ich den Flug und bin erst 5 Minuten vor Schluss der Boardingtime am Gate. Zum Glück ist dies hier ein kleiner Flughafen mit kurzen Distanzen.
Im Flugzeug treffe ich auf eine Bekannte aus einer SAC Hütte im Wallis welche zwei Wochen in die Sahara auf Wüstentour unterwegs ist. Der Flug verläuft planmässig so das swir pünktlich in Marrakesh landen. Ein Sprichwort sagt: In Europa haben wir Uhren in Afrika Zeit. So vergeht eine Stunde bis ich bei der Zollkontrolle durch bin und mein Gepäck und Velo in Empfang nehmen kann. Bis auf ein verbogenes Schutzblech ist alles ganz geblieben. Eine halbe Stunde später ist das Rad zusammengeschraubt, das Gepäck montiert und der Karton bis Ende Woche beim freundlichen Parkpersonal deponiert.

Das Abenteuer kann losgehen.

Ich traue meinen Augen nicht; die Marrokaner haben Radstreifen so breit wie bei uns Fahrbahnen und die Verkehrsteilnehmer fahren sehr rücksichtsvoller als in Zürich.

Trotz Navi habe ich Mühe das Hotel zu finden in den Engen Gassen der Medina von Marrakesh. Als mir ein freundlicher Jüngling mit dem Fahrrad voraus fährt, ruft mir an der nächsten Verzweigung mein Bruder zu, welcher zwei Stunden auf mich wartete . Die Freude ist gross. Ohne Hilfe hätte ich das Hotel nie gefunden. Nach einem Tee im Hotel geht es direkt zum Essen auf den Djemaa el Fna. In den Garküchen lassen wir uns mit marokkanischen Köstlichkeiten ein erstes Mal verwöhnen.

26.02.2017

In unserem Riad ist es so still und dunkel , dass wir erst gegen neun Uhr aufwachen. Höchste Zeit um aufzubrechen. Schnell ist alles verstaut und Tom’s Fahrrad zusammengeschraubt, gefrühstückt und ab geht es auf die Strasse. Wieder brauchen wir zu lange um aus der Stadt heraus zu finden doch dann kommen wir gut voran. Bei der Mittagsrast während dem Genuss einer Tajine wird endlich die Daten SIM-Karte aktiviert um wieder mit der grossen weiten Welt verbunden zu sein.

Von nun an steigt die Strasse kontinuierlich an Richtung Atlas Gebirge.

Es ist fast aussichtslos einen geeigneten Platz zum Zelten zu finden. Jeder nur so kleine Fleck Land wird von den Berbern kultiviert. Kurz vor Sonnenaufgang entschliessen wir uns darum ein Hotelzimmer zu beziehen doch das erste Hotel ist geschlossen. Uns wird aber versichert, dass ein Weiteres nach drei Kilometer folgen wird. Aber auch dieses beherbergt keine Gäste mehr.

Der Wächter, ein freundlicher Berber, welcher als Wächter für das Grundstück angestellt ist erlaubt uns jedoch vor dem Hotel das Zelt aufschlagen zu dürfen. Er versorgt uns sofort mit Tee, Brot und frisch gepresstem Olivenöl.

Zum Z’Nacht gibt es eine feine Bündner Gerstensuppe aus dem Päckli.

Kurz nach dem Eindunkeln begeben wir uns, müde vom ersten Tag, in den Schlafsack, denn es wird langsam kühl hier in den Bergen auf 1400 m.ü.M.

27.02.2017

Der Muhezin weckt mich vor 6.00 Uhr. Definitiv zu früh um den warmen Schlafsack zu verlassen. Tom schnarcht auch noch neben mir im Zelt. Offenbar hat er die halbe Nacht gefroren und der Lärm der Strasse liess ihn nicht einschlafen.

Gegen neun erwärmt die Sonne unser Zelt und unser Gastgeber versorgt uns mit einem Frühstück aus Tee, Brot und Olivenöl und Pain au Chocolat.

Gestärkt fahren wir los entlang von Gebirgsbächen mit den Viertausendern des Atlas im Hintergrund vorbei an blühenden Mandelbäumen zuerst immer wieder auf und ab, dann stetig aufwärts. Ungefähr einen Kilometer vor der Passhöhe beklagt sich mein Bruder über ein streifendes Hinterrad. Beim näheren hinsehen stellen wir eine gebrochene Hinterradfelge fest. Es ist bereits nach drei Uhr am Nachmittag und wir wollen es unbedingt noch bis Telouet schaffen. Jetzt sind Ideen gefragt. Schleunigst wird das Hinterrad ausgebaut, der Reifen demontiert und die gebrochene Felge mit einem SIM-Kartenträger aus Marokko und Klebeband repariert. Der Schaden scheint behoben zu sein und wir erreichen überglücklich die Passhöhe.

Die Fahrt vom Pass muss Tom allerdings nur mit der Vorderbremse bewältigen. Leider werden auch die Strassen schlagartig schlechter, was die Sache nicht erleichtert. Doch die grandiose Landschaft in der Abendsonne lässt den Schaden schnell vergessen und wir schaffen es mit den letzten Sonnenstrahlen nach Telouet und sehen die Kashba in schönstem Abendlicht. Wir wollen auf dem örtlichen Camping übernachten aber für den kleinen Aufpreis von wenigen Dirham wählen wir doch das Hotelzimmer um endlich wieder warm zu duschen und die Geräte zu laden. Allerdings wird aus der warmen Dusche nichts, denn es kommt nur eisig kaltes Wasser. Dafür sind wir die einzigen Gäste im Hotel und bekommen eine sehr feine Tajine aufgetischt. Zusätzlich erhalten wir noch ein Livekonzert mit Berbermusik von Hamid aus Mali.

28.02.2017

Nach einem ausgiebigen Frühstück auf der Terrasse bei Sonnenschein besichtigen wir die bekannte Kasbah Glaoui mit ausführlichen Erklärungen von Ramon. Anschliessend geht es über Schotterpiste durch ein schönes Tal bis nach Ait Ben Haddou zur berühmten Filmkulisse der Hollywood Filme „Gladiator“ und „Alexander“. Der Ort ist uns viel zu touristisch. Aus diesem Grund kochen wir uns am Flussufer auf dem Benzikocher ein Risotto und schauen dem Treiben aus der Ferne zu.

Wir haben nun schon einige Vegetationsstufen durchfahren und sind nun in der Steinwüste Hamada angekommen.
Trotz zunehmendem Verkehr schaffen wir die Strecke bis Ouarzazate innerhalb kürzester Zeit und finden die empfohlene Unterkunft „Dar Rita“ auf Anhieb.

01.03..2017

Wir stehen vor einer schwierigen Entscheidung. Wir haben nur noch zwei Tage vor uns bis wir zurück nach Marrakesh müssen. Das Valley Draa wäre eine Option doch bis dahin ist eine stündige Taxifahrt bis nach Agdz nötig. Von dort führt eine 120 Km lange Piste durch das Wadi Draa وادي درعة Richtung Süden bis Zagora wo wir dann einen Transport nach Marrakesh finden müssen.

Zum Glück ist die Münze zu gunsten Draa Tal gefallen. Wir finden auf Anhieb ein altes Merzedes Taxi wohlverstanden ausgelegt für max. 5 Personen. Mit ein paar Tricks passen aber gut 7 Personen 2 Fahrräder sowie das Gepäck aller Fahrgäste ins Auto. Der Fahrer gibt sich auch Mühe und fährt vorausschauend angepasst so kommen wir ohne grössere Schäden in Agdz an. Nach einem Tee in einem Bazar geht es los. Die ersten vier Kilometer auf einer Nagel neuen Teerstrasse, von da an nur noch Dirt Road. Das Material wird enorm beansprucht und ich fahre meinen ersten Platten an meinem „Roba“ ein. Kurz darauf erwischt es das Vorderrad von Tom’s Bike. Er hat zum Glück Dichtmasse im Schlauch welche das Loch oder besser gesagt die Löcher der selbst wieder dichtet. Bei meinem Rad kommt ein neuer Schlauch rein. Selber Schuld, wenn man die Piste verlässt. Einige Pflanzen in der Wüste haben lange Dornen. Das Draa Tal ist bis jetzt das Beste unserer Tour. Maximal alle zwei Stunden ein Fahrzeug und enorm freundliche Bewohner welche uns zu Tee und Fladenbrot einladen und uns dankenderweise mit Wasser versorgen. Es gibt auf der Strecke kaum Einkaufsmöglichkeiten und eine PET-Flasche bekommt durch die enorme Erschütterung ein Leck und das Wasser läuft anstatt die Kehle runter auf die Strasse. Da wir diese Nacht wild campieren sind wir auf Wasser angewiesen. Eine Bündner Gerstensuppe in der Wüste soll es geben nachdem wir in den letzten Tagen immer wieder mit Tajines verköstigt wurden.

Morgen erreichen wir hoffentlich ohne weitere Pannen Zagora. Die geflickte Felge von Tom’s Rad hat nun mehr als hundert Kilometer gehalten, dies auch bei unvorteilhaften Strassenverhältnissen.

02.03.2017

Es war eine unglaublich ruhige und sternenklare Nacht in der Wüste. Weit weg vom nächsten Dorf auf einer Anhöhe mit Blick auf das Draa Tal. Nach einem stärkenden Frühstück bestehend aus Poridge mit Nüssen ging es weiter auf der Steinpiste. Wir brauchen dringend Wasser und entschliessen uns darum auf die Hauptroute zu wechseln. In einem kleinen Dorf finden wir aber dann doch noch einen 5 Liter Kanister mit Trinkwasser. So können wir auf der geplanten Route bleiben durch die schönen Oasen mit den unzähligen Dattelplantagen. Leider ist die Dattelsaison erst ab August. In einem Dorf ist Markt und wir decken uns mit frischen Orangen und Bananen ein. Energie für die letzten Kilometer auf der Piste. Auf der Strecke überholt uns ein alter Mercedes Bus mit Zürcher Kontrollschildern. Wie wir erfahren, ein junges Paar aus Zürich welches eine mehrwöchige Tour durch Marokko unternimmt. Wir werden sie in Zagora wieder treffen.

Das Tal wird zunehmend offener und die Hamada weicht der Sandwüste, der Rand der Sahara. Ideal für ein paar Fotos in den Sanddünen und dann ab auf die Strasse nach Zagora. Wir checken bei Chez Ali ein . Unsere Körper haben dringend eine Dusche nötig. Nach einem Berberwisky (Marokkanischer Tee) buchen wir die achtstündige Busfahrt zurück nach Marrakesh für morgen . Weil der Bus bereits um 07:45 Uhr losfährt fallen wir nach der obligaten Tagine und dem Tee müde ins Bett.
Zusammengefasst hat sich die Reise mehr als gelohnt. Marokko ist definitiv ein Radreiseland. Das Velo ist hier allgegenwärtig sei es als Transportmittel oder für den Schulweg der Kinder. Es bietet die ideale Reisegeschwindigkeit und man nimmt das Land mit allen Sinnen wahr. Wir kommen so durch Gebiete welche von den Touristen Bussen kaum erreichbar sind. Der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung ist sehr offen und einfach.

Wir können die Umwelt auch besser riechen als in einem geschlossenen Fahrzeug.

Marokko riecht in erster Linie nach Gewürzen, Weihrauch, offenen Feuern der Brotofen, aber auch nach Zweitaktmotoren, Kamelmist und verbranntem Plastik.

Hier die Statistik unserer Radreise:

  • 334 Km gefahrene Strecke
  • davon 138 Km auf unbefestigter Strasse
  • 3563 Höhenmeter
  • 1 gebrochene Felge
  • 2 Platte Reifen
  • 2 Sonnenbrände
  • hunderte fröhliche und hilfsbereite Menschen
  • Keine steinewerfende Kinder
  • Keine kläffenden Hunde
  • Keine Diebstähle

03.03.2017

No Problem! Die Fahrräder werden einfach im Bus unten verstaut. Der Bus ist bis auf den letzten Platz belegt. Einige Touristen, Einheimische, später eine Gruppe Asiaten. Die Koffer der Chinesen werden einfach auf unsere Velos gestaut. No Problem!

Immer wieder hält der Bus für eine WC Pause bei einem Busbahnhof, einer Stadt oder vor einem Restaurant. Einmal reicht es sogar für ein Mittagessen während der Pause. Buschauffeur und Koch sind sich einig. No Problem!

Wir sind froh, die Reise gestärkt weiter führen zu können denn sie dauert fast eine Stunde länger als geplant. Einmal mehr haben wir Mühe das Hotel in Marrakesh zu finden obwohl wir wieder im selben Riad untergebracht sind. Die Medina ist für uns einfach zu verwinkelt um ohne GPS navigieren zu können. Nach einem kurzen Besuch auf der hoteleigenen Dachterasse geht es zu Fuss ins Getümmel der Altstadt, durch die verwinkelten Gassen, durch den Souk auf den Djemma el fna wo wir Schafskopf essen, eine Spezialität Marokkos. Es ist Freitag und es ist bedeutend mehr los als noch vor Tagen. Ausser uns sitzen nur Araber an den einfachen Tischen. Das Fleisch schmeckt erstaunlich gut, ähnlich wie Siedfleisch. Zum Abschluss wie immer noch ein Tee bevor wir durch die leeren Gassen nach Hause navigieren.

04.03.2017

Für mich der Tag der Rückreise. Im Ria weckt uns das klimpern des Geschirrs und ein feiner Duft von frischem Gebäck steigt uns in die Nase. Zeit zum aufstehen. Das Frühstück nehmen wir auf dem Dachgarten ein. Wir dürfen freundlicherweise das Gepäck und die Fahrräder im Massageraum des Hotels lassen und begeben uns ein letztes Mal in den Souq und den Djemma el fna um letzte Souvenirs einzukaufen und uns nochmals mit einer Tajine verwöhnen zu lassen. Mittlerweile bewegen wir uns etwas selbstsicherer durch die Medina und kennen bereits die Tricks der Verkäufer. Umso mehr Spass macht das Handeln mit ihnen. Leider gibt es auch hier in Marrakesh ganz aufdringliche Händler. Im Algemeinen sind die Leute aber äusserst hilfsbereit und ehrlich.

Toms Felge sieht schlecht aus unter der Gepäcklast zum Flughafen. Sie hält aber bis zum letzten Meter. Erstaunlicherweise sind meine deponierten Kartons immer noch beim Parking des Flughafens aufbewahrt. Das gibt für den Parkwächter nochmals eine Toblerone als Dank. Zur Sicherheit werden bei einem Chauffeur eines Getränkelasgwagens weitere Kartons beschafft. Dieser erfreut sich über eine gebrauchte Sonnenbrille von Tom.

Die Zeltstangen im Handgepäck erwecken den Eindruck einer Langwaffe und ich darf eine Auslegeordnung an der Sicherheitskontrolle veranstalten. Dabei wird aus Sicherheitsgründen das Ducttape beschlagnahmt nicht das ich während des Fluges noch jemand in meine Gewalt bringe. Pünktlich startet der Flieger Richtung Basel. Mit dem letzten Zug treffe ich gegen 01:30 Uhr im Hauptbahnhof Zürich ein. Ein halbe Stunde später ist das Rad wieder zusammengebaut und ich nehme die letzten Meter meiner Reise unter die Räder in Gedanken immer noch im Orient.